Spezialist für weite Distanzen

Möchten Sie mit der Jagd auf große Entfernungen beginnen und suchen ein geeignetes Geschoss, das Ihnen dies ermöglicht? In dieser Ausgabe unserer Serie über Jagdgeschosse und Patronen haben wir uns etwas angesehen, das speziell für diesen Zweck entwickelt wurde – das Nosler ABLR Geschoss.
Ein erfolgreicher Schuss auf große Distanz hängt (unter anderem) wesentlich von der Wahl des richtigen Geschosses ab, das mehrere Anforderungen erfüllen muss. Wenig überraschend sollte es präzise, stabil und mit einem hohen ballistischen Koeffizienten ausgestattet sein, um eine möglichst gestreckte Flugbahn und eine hohe Windresistenz sicherzustellen. Was jedoch oft übersehen wird, ist die notwendige Bereitschaft zur Deformation, die eine Grundvoraussetzung für eine schnelle und waidgerechte Wirkung am Wildkörper ist. Entscheidend ist dabei, dass jedes Geschoss nur innerhalb eines bestimmten Bereichs von Auftreffgeschwindigkeiten optimal expandiert. Dieser Bereich wird wiederum durch die Leistung der Patrone, die Ballistik des Geschosses und die Entfernung zum Ziel bestimmt. Dies alles unter Berücksichtigung dessen, wie stark das Wild gebaut ist und wie „hart“ es auf den Schuss reagiert. Die meisten auf dem Markt erhältlichen Geschosse sind so optimiert, dass sie bei mittleren Energielevels gut funktionieren – also bei Wildarten vom Rehbock bis zum Hirsch und auf Distanzen von etwa 50 bis 350 Metern. Ein echter Allrounder für die meisten jagdlichen Situationen – und daran gibt es nichts auszusetzen. Aber was ist, wenn wir auf Distanzen deutlich über die „jägertypischen“ 200-300 Meter hinaus schießen möchten? Es gibt eine Handvoll passender Geschossserien auf dem Markt, die sich durch hervorragende Präzision, gute Ballistik und die erwähnte Bereitschaft zur Deformation auch bei niedrigeren als den üblichen Auftreffgeschwindigkeiten auszeichnen. Eine der besten Optionen ist die ABLR-Serie des renommierten Munitionsherstellers Nosler, die wir für Sie in diesem Artikel ausführlich getestet haben.
Titelbild: ABLR Geschoss (.264/142 gr) in Kombination mit 6.5 Creedmoor Patrone
„Die empfohlene untere Aufprallgeschwindigkeit beträgt nur 396 m/s, was deutlich weniger ist als die üblichen 550 m/s bei den meisten „normalen“ Geschossen!“
Weich, aber zäh
Die Abkürzung ABLR steht für „AccuBond Long Range“, was erfahrenen Wiederladern sofort ein Begriff sein dürfte. Nosler hat einfach das bewährte AccuBond-Geschoss genommen und speziell für den Einsatz auf weite Entfernungen modifiziert. Dies bedeutete eine Erhöhung des Geschossgewichts, was mit einer Verlängerung einherging und somit den ballistischen Koeffizienten und die Sekantendichte verbesserte. Die wichtigste Änderung war jedoch die Anpassung der Konstruktion, um eine zuverlässigere Expansion bei niedrigeren Auftreffgeschwindigkeiten zu gewährleisten. Das Geschoss besitzt einen Bleikern und einen sich nach vorne verjüngenden Mantel. Die Spitze besteht aus einem speziellen Polymer und sitzt in einer tiefen Hohlspitze. Die ballistischen Eigenschaften werden zudem durch ein Boattail-Design weiter verbessert. Die ABLR-Geschosse erkennt man sofort auf den ersten Blick an der Farbe der Geschossspitze. Die ABLR-Version hat eine graue Spitze, während der Vorgänger die markante weiße Spitze besitzt. Beide bestehen jedoch aus demselben, verformungsresistenten Polymer. Es besteht also kein Grund zur Sorge, dass die Spitze durch Rückstoß im Magazin beschädigt wird – selbst bei extrem leistungsstarken Patronen. Dies kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.
Der Kern ist mit dem Mantel verlötet, was eine extrem feste Verbindung schafft, die Fragmentation und ein Abtrennen des Mantels vom Kern verhindert. Trotz der selbstbewussten Aussagen des Herstellers ist dies definitiv kein Geschoss für den Nahbereich, aber es zeigt mit Sicherheit eine geringere Neigung zur Fragmentation oder übermäßigen Deformation mit Fleischzerstörung als Geschosse mit unverbundenem oder nur mechanisch verbundenem Kern.
Am anderen Ende des Spektrums soll das Geschoss laut Hersteller – in Kombination mit einer leistungsstarken Patrone – auch bei großen Hirscharten auf Distanzen bis zu 1.000 Metern noch gute Wirkung im Wildkörper erzielen. Die empfohlene untere Grenze der Auftreffgeschwindigkeit beträgt lediglich 396 m/s, was spürbar niedriger ist als die üblichen 550 m/s bei den meisten „konventionellen“ Geschossen.

ABLR Geschosse in der Version .284/175 gr vom Hersteller dokumentiert; links mit Aufprallgeschwindigkeit 396 m/s, rechts mit 910 m/s

In Zahlen
Interessierte können aus folgenden Varianten wählen (Kaliber/Gewicht); .264/129,142,150 gr, .277/150,165 gr, .284/150,168,175 gr, .308/168,190,210 gr und .338/210, 265, 300 gr. Das Angebot ist also etwas eingeschränkt, aber für den vorgesehenen Einsatzzweck absolut ausreichend. Ich habe die Variante .263/142 in Kombination mit einer 6.5 Creedmoor Patrone getestet. Geladen habe ich mit dem Pulver Swiss R60 und wie üblich eine ganze Reihe von Setztiefen und Pulverladungen ausprobiert, um die Kombination zu finden, die meiner Büchse am besten „schmeckt“. Der Favorit war schließlich eine Patronenlänge von 70,6 mm (mit einem Freiflug von 1,6 mm) und eine Pulverladung von 43 grain. Damit erreichte ich eine schöne (gemessene und gemittelte) Mündungsgeschwindigkeit von 850 m/s. Beim Wiederladen gab es keinerlei Überraschungen, und die Geschosse zeigten bei Stichprobenwägungen nur völlig vernachlässigbare Gewichtsschwankungen. Auch bei genauerer Betrachtung sind die ABLR-Geschosse präzise gefertigt.
Wie bereits erwähnt, gehört der hohe Ballistische Koeffizient (BC) zu den Hauptvorteilen dieser Geschosse. Dank des hohen BC behält das Geschoss seine Geschwindigkeit und Energie besser bei und zeigt weniger Flugbahnabweichung. Die von mir getestete Version erreicht einen BC von .625, was ein außergewöhnlicher Wert ist. Zum Vergleich: Das nur 2 grain leichtere AccuBond-Geschoss kommt „nur“ auf .509 BC. Was bedeutet das in der Praxis? Die Werksladung Nosler 6.5 Creedmoor mit einem AccuBond-Geschoss erreicht eine Mündungsgeschwindigkeit von 808 m/s, während das ABLR bei 793 m/s startet. Wenn Ihr Zielfernrohr auf 182 Meter eingeschossen ist, sinkt die AccuBond-Geschossbahn auf 732 Meter um 488 cm ab, und die Geschwindigkeit fällt auf 445 m/s. Das ABLR hat trotz der geringeren Anfangsgeschwindigkeit nur einen Abfall von 462 cm und eine Restgeschwindigkeit von 483 m/s. Vereinfacht gesagt: Die Flugbahn ist gestreckter und die zuverlässige Expansion wird auf weitere Entfernungen „verschoben“. Das erhöht in der Praxis die Wahrscheinlichkeit für einen sicheren Treffer und einen waidgerechten schnellen Wirkungstreffer.
Natürlich sehen die Zahlen beim Wiederladen noch besser aus. In meinem Fall sinkt die Geschwindigkeit erst bei etwa 1.100 Metern unter die Schwelle von 396 m/s, und eine .300 Win Mag mit einem 190 gr ABLR-Geschoss und einer typischen Mündungsgeschwindigkeit behält sogar noch etwa 100 Meter mehr an effektiver Reichweite. Damit will ich keinesfalls sagen, dass es eine gute Idee ist, auf solche Entfernungen zu schießen. Persönlich habe ich meine ethische Obergrenze bei 800 Metern festgelegt, und auch das nur in besonderen Situationen. Aber diese Zahlen geben einen guten Eindruck von den Fähigkeiten dieser Geschosse.
Auf dem Schießstand
Ballistisch ist das Ganze also hervorragend – aber wie steht es um die Präzision des Geschosses? Bei wiederholten Schießtests auf 100 Meter mit 6-Schuss-Gruppen (jeweils der schlechteste Schuss wurde gestrichen) erreichte ich eine durchschnittliche Streuung von knapp über 28 mm, also knapp unter 1 MOA. Es hätte etwas besser sein können – meine Büchse hat das Potenzial für unter 0,6 MOA, was laut Berichten Dritter auch für ABLR-Geschosse gilt. Ich gehe jedoch davon aus, dass die Geschosse nicht ideal mit meinem 1:8“-Drall harmonierten. Es ist durchaus anzunehmen, dass mit intensiverer Ladungsentwicklung noch etwas bessere Ergebnisse erreichbar wären. In jedem Fall ist alles unter 1 MOA immer noch ein sehr guter Wert, der sich für den Einsatz auf überdurchschnittliche Distanzen bestens eignet.
Es blieb noch die Terminalballistik zu testen, was jedoch nicht ganz einfach umzusetzen war. Die eigentlichen Tests wären kein Problem gewesen, aber aufgrund des vorgesehenen Einsatzzwecks wäre ein solcher Test nur auf große Entfernungen sinnvoll gewesen – die mir derzeit nicht zur Verfügung standen. Außerdem wäre es wegen eines möglichen schlechter platzierten Treffers ein unnötiges Risiko gewesen. Eine Alternative bietet hier der Beschuss von Blöcken aus Bildhauerton, die mit ausreichender Aussagekraft sowohl die Geschossintegrität als auch die Deformationsbereitschaft testen. Gleichzeitig lässt sich die Pulverladung so reduzieren, dass die auftreffende Geschwindigkeit realistisch auf größere Distanzen simuliert wird. Ich habe die Patronen so geladen, dass die Auftreffgeschwindigkeit bei etwa 490 m/s lag – was in meiner „Maximalkonfiguration“ einer Distanz von etwa 850 Metern entspricht, auf die nur wenige tatsächlich jagen. Ich hätte die Geschwindigkeit gerne noch weiter reduziert, stieß dabei aber bereits an die sicheren Füllgrenzen der Hülsen. Dennoch bewiesen die Testschüsse in den Ton, dass die gewünschte Deformation auch bei diesen reduzierten Geschwindigkeiten zuverlässig erfolgt. Gleichzeitig blieb die Durchschlagskraft gut – ich durchschlug stets 50 cm Tonblöcke. Die Form des Wundkanals und das Deformationsbild ähnelten den beliebten GameChanger-Geschossen von Sierra, jedoch mit etwa 200 m/s geringerer Geschwindigkeit. Zusammenfassend lässt sich sagen: In Kombination mit den praktischen Erfahrungen von Jägern, die regelmäßig auf größere Distanzen jagen, scheint das ABLR-Geschoss tatsächlich das zu leisten, was der Hersteller verspricht. Gleichzeitig sorgt die außergewöhnlich starke Kern-Mantel-Verbindung dafür, dass bei kürzeren Distanzen eine ungewollte Fragmentation verhindert wird.

Bei den Schießtests erreichte ich eine durchschnittliche Streuung von knapp über 28 mm auf 100 Meter, also knapp unter 1 MOA

Die Nosler Trophy Grade Long Range Fabrikmunition ist mit ABLR Geschossen geladen. Sie ist allerdings teuer und bei uns im Handel nur selten anzutreffen.
Was den Preis betrifft, so handelt es sich – angesichts des Verwendungszwecks – wenig überraschend um relativ teure Geschosse, mit einem Preisbereich von 26,1 bis 33,4 CZK pro Stück. Die von mir getestete Variante .264/142 gr kostet 27,5 CZK pro Stück. Verpackungseinheiten bestehen aus 100 Stück. Man kann davon ausgehen, dass das Geschoss hinsichtlich Präzision etwas wählerischer bei der Abstimmung mit der Waffe ist und wahrscheinlich am besten mit schnelleren Drallraten funktioniert. Auch der höhere Preis könnte einige abschrecken, insbesondere wenn man es für die „langstreckige“ Bejagung von Raubwild einsetzen möchte. Ansonsten gibt es aus meiner Sicht wenig zu bemängeln.
Nosler ABLR Geschosse können Sie im Shop von STROBL.CZ s.r.o. kaufen. Weitere Informationen finden Sie unter strobl.cz oder auf der Website des Herstellers nosler.com
Fabrikmunition
Für diejenigen, die nicht wiederladen, bietet Nosler auch Fabrikmunition mit ABLR Geschossen im Rahmen seiner Trophy Grade Long Range Serie an. Der Hersteller versichert – und angesichts seines Rufs glaube ich das auch – dass es sich um Premium-Munition handelt, mit besonderem Fokus auf Präzision und Fertigungskonstanz. Insgesamt stehen dem Interessenten 29 verschiedene Laborierungen in 26 Kalibern zur Verfügung, wobei die Auswahl eher moderne und/oder westliche Kaliber umfasst. Klassische europäische Kaliber wie 7x57 mm, 8x57IS oder 9,3x62 mm sucht man hier jedoch vergeblich. Ein weiteres, noch bedeutenderes Problem für hiesige Schützen ist die schlechte Verfügbarkeit dieser Munition. Importiert wird sie von proarms.cz, doch offensichtlich wird nur selten Ware auf Lager gehalten. Und zu guter Letzt kommt noch der recht hohe Preis. Zur Veranschaulichung: Eine .30-378 WbyMag Patrone mit einem 210 gr Geschoss kostet 167 CZK pro Stück.
Vorteile/Nachteile
+ optimiert für extrem niedrige Geschwindigkeiten
+ verlöteter Geschosskern
+ hervorragende Fertigungsqualität und Maßhaltigkeit
- hoher Preis
- präzise, aber subjektiv etwas wählerisch bei Ladung und Lauf
Bildquellen: Archiv des Autors, Herstellerunterlagen – nosler.com
Autor: Tomáš Prachař
Der Artikel erschien ursprünglich im Magazin Lovec von Extra Publishing